Stadler: "In der Offenen Arbeitsgruppe Bürgerschaftliches Engagement der SPD-Bundestagsfraktion haben wir in den vergangenen Wochen gemeinsam mit Experten aus der Zivilgesellschaft intensive Diskussionen über das Bürgerschaftliche Engagement im Flüchtlingsbereich geführt. Auf Grundlage dieser Diskussionen haben wir fünf dringende Empfehlungen erarbeitet, mit denen die Helfenden unterstützt werden können."

Mehr Koordination für die Hilfe

Viele Engagierte sind nahezu unermüdlich im Einsatz und haben dennoch stets ein Lächeln im Gesicht. Die Erfahrung, helfen zu können und die positive Wirkung der eigenen Tat zu sehen, ist eine eigene Kraftquelle. Als Kräfte zehrend wird hingegen laut einhelliger Berichte aus der Engagement-szene empfunden, wenn Bemühungen ins Leere laufen, wenn es „nicht vorwärts geht“, wenn Angaben über zu erwartende Einsätze ungenau oder falsch sind. Vielerorts übernehmen ehrenamt-liche Helfer organisatorische und administrative Aufgaben, die eindeutig im Bereich der öffentlichen Hand liegen, aber vernachlässigt und versäumt werden. Die Versäumnisse der staatlichen Daseins-vorsorge aufzufangen ist eine Überforderung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die zum Kollaps führen kann – dem je persönlichen aber auch bezogen auf die Hilfebewegung. Was wir schnell brauchen, ist eine klare Aufgabenverteilung bei gleichzeitiger enger Kooperation von Bund, Ländern, Kommunen und Bürgergesellschaft. Da Engagement vor Ort in den Kommunen stattfindet, ist eine reibungslose und unbürokratische Koordination und Zusammenarbeit von Engagierten mit den kommunalen Behörden und Einrichtungen unverzichtbar.

Helfen ohne „draufzuzahlen“

Durch das Helfen entstehen immer wieder Kosten für unterschiedlichste Zwecke: Fahrtkosten für die Begleitung zu Behörden oder Ärzten, Druckkosten für Informationsflyer oder Fotokopien von Unterlagen oder Lehrmittelkosten bei Sprachkursen. Auch müssen Risiken abgesichert sein, zum Beispiel durch einen Versicherungsschutz für Engagierte im „Einsatz“, wie er in einigen Bundes-ländern schon besteht. Die Liste ist unvollständig und offen, da die Bedarfe teilweise nicht vorher-sehbar sind. Helferinnen und Helfer sollen durch ihren persönlichen tatkräftigen Einsatz keine finan-ziellen Einbußen haben. Doch bislang ist nicht dafür gesorgt, dass diese Auslagen ersetzt werden und die Ehrenamtspauschale wäre das falsche Instrument, hier Abhilfe zu schaffen. Sie würde einerseits möglicherweise falsche Anreize schaffen und käme auch nur dort zur Wirkung, wo Personen im Auftrag einer Organisation tätig werden, die selbst über die ausreichenden Mittel verfügt, eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Gebraucht wird ein großzügig ausgestatteter Bundesfonds für Engagementförderung in der Flüchtlingshilfe, aus dem Helferinitiativen, Vereine und Wohlfahrts-verbände mittels unbürokratischem Antragsverfahren Gelder für notwendige und sinnvolle Aufwen-dungen im Rahmen der Flüchtlingsversorgung und –betreuung erhalten können.

Klare Handhabe gegen Rassismus und Muslimfeindlichkeit – deutlicher Einsatz für Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit

Eine klare Linie gegen Gewalt und Propaganda, die auf einem Menschenbild der Ungleichwertigkeit fußen. Die Integration kann vor allem dann gelingen, wenn ein entscheidend großer Anteil der Bevölkerung dafür bereit ist. Für diese Bereitschaft können wir werben und Zuversicht vermitteln durch positive Bilder und Beispiele. Rassismus und Islamfeindlichkeit wirken in entgegengesetzter Richtung, deshalb müssen sie durch eine deutliche Haltung und konsequentes Handeln unterbunden werden. Es ist ein Skandal, wenn das Selbstverständliche, das Mindeste, nämlich die Strafverfolgung von Angriffen gegen Wohnheimen und den darin lebenden Menschen, vernachlässigt wird. Wir erwarten eine lückenlose Anwendung unserer rechtstaatlichen Mittel zur Bekämpfung rechter und rassistischer Gewalt. Und wir erwarten eine Sprache, die auf negative Verallgemeinerungen verzichtet, Probleme, Aufgaben und Herausforderungen sachlich beschreibt und vor allem die Menschen mit ihren Rechten und ihren Schicksalen ins Zentrum des Blickfeldes setzt.

Hilfe für Helfende

In der überwältigenden Hilfsbereitschaft weiter Teile der Bevölkerung offenbart sich ein Schatz, den wir als Gesellschaft nicht verschleudern dürfen, der vielmehr gepflegt und bewahrt werden muss. Dazu müssen die Menschen, die über unterschiedliche Vorerfahrungen und Kenntnisse verfügen in ihrem Engagement begleitet und für die freiwillig übernommenen Aufgaben qualifiziert werden. Durch Fortbildung und Begleitung kann es gelingen, die punktuelle karitative Hilfe in langfristiges Engagement in der Integrationshilfe münden zu lassen. Wer sich längerfristig als Lotse und Pate engagieren will, soll einen Anspruch auf Schulungen haben, z.B. in interkulturellen Kompetenzen und Kommunikation. Auch zum Asylverfahren und zu anderen ausländer- oder auch arbeitsrechtlichen Fragen sollen sich Engagierte fortbilden können. Helferinnen und Helfer sollten mit Fremdheitserfahrungen in der Begegnung, oder mittelbaren Erfahrungen der Traumata der Flüchtlinge nicht allein gelassen werden. Wir empfehlen ein Angebot an Supervision für Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingsbetreuung bereit zu halten.

DANKE nicht vergessen

Die Kraft und Motivation ziehen Helferinnen und Helfer aus dem Erleben, Sinnvolles zu bewirken und aus der Anerkennung, die sie dafür erhalten. Die Gesellschaft, der mit dem Engagement der Einzelnen ein unschätzbar wertvoller Dienst erwiesen wird, ist ihnen diese Anerkennung schuldig. Und uns als Mandatsträgern obliegt es, diese Anerkennung in Vertretung für die Allgemeinheit zum Ausdruck zu bringen. Einmal „Danke“ sagen reicht nicht. Die einmalige Geste der Anerkennung verblasst und den Engagierten vermittelt sich der Eindruck, wir könnten ihren Einsatz als normal und unbedeutend ansehen, wenn wir es uns nicht zur guten Gewohnheit machen, unserer Wertschätzung für die geschenkten Dienste immer wieder neu Ausdruck zu verleihen.